Samstag, 25. Februar 2012

Es war einmal: Swiss World Airways

HOCHFLIEGENDE TRÄUME

In Zusammenarbeit mit der Arthur Anderson Group, einer weltweit anerkannten Consulting-Firma, wurde flugs ein Businessplan erarbeitet, der von einem grossen Markt für Langstrecken-Direkt-Verbindungen nach Nordamerika ab Genf (u.a. nach New York, Boston, Chicago, Montréal und Washington), später auch in den Mittleren Osten ausging. Begründet wurde dies einerseits mit dem dort ansässigen UNO-Sitz sowie dem Bedarf der Westschweizer und der angrenzenden französischen Wirtschaft.

Für den Start wurde ein notwendiges Kapital von CHF 50 Mio. budgetiert. Da dieses sehr schwierig aufzubringen war, investierten die Westschweizer Kantone Genf, Waadt und Neuenburg Millionen von Steuergeldern in die neue Airline (auch, um die 450 geplanten Arbeitsplätze zu stützen). Der operative Start war für den 15. Dezember 1997 vorgesehen. Innert zweier Jahre wollte man schwarze Zahlen schreiben.

Schnell wurde im November 1997 klar, dass diese Ziele zu ambitiös waren: es fehlte die Betriebsbewilligung, die Finanzierung war noch nicht gesichert und wenn man bereits einige Boeing 767-300 bei verschiedenen Gesellschaften besichtigt hatte, konnte noch kein Miet- oder Leasingvertrag abgeschlossen werden.

DIE SACHE KOMMT INS ROLLEN

Im Laufe des Sommers 1998, also mit einiger Verspätung konnten weitere Hürden aus dem Weg geräumt werden und mit einer von Air New Zealand geleasten Boeing 767-219 ER, endlich auch ein Flugzeug vorweisen. Der Leasingvertrag wurde Ende Juni 1998 unterzeichnet; die Schweizer Zulassung verzögerte sich aber bis zum 14. August, u.a. auch, weil es sich um die erste Boeing 767 in der Schweiz handelte. Die Maschine sollte aber nur eine Übergangslösung sein. Während man im Juni noch stolz die Bestellung von zwei fabrikneuen Boeing 767-300 ER verkündete, setzte man im August auf die kleinere Boeing 737-700 ER, von der man vier Maschinen leasen wollte. SWA wäre damit der erste Nutzer der bereits seit einiger Zeit von Boeing geplanten Langstreckenversion der ursprünglich als Kurz- und Mittelstreckenjet konzipierten Boeing 737 geworden. Aber auch dieses Geschäft kam schlussendlich nicht zustande (das Langstreckenprojekt der Boeing 737 wurde übrigens später beim Bau des Boeing Business Jet BBJ auf Basis der B 737-700 umgesetzt). Für den Winter 1998/1999 sollte ausserdem eine Boeing 757-200 der Air Holland angemietet werden.


ENDLICH: DER ERSTFLUG

Am 10. September 1998 war es dann endlich soweit: die als HB-IIX in der Schweiz immatrikulierte Boeing 767-219 ER startete zum Erstflug SO 001 mit 109 Passagieren von Genf nach New York (Flughafen Newark). Die Preispolitik und der Bordservice können als mutig und innovativ bezeichnet werden: Einerseits wurden die Preise als Einwegtarife angeboten, die z.B. im Business-Class Bereich rund 60 % unter denen der Konkurrenten lag. Den Passagieren wurde statt einem Standard-Menu ein à-la Carte-Service geboten; die Konsumationen mussten allerdings zusätzlich zum Flugpreis berappt werden.


FEHLER AM LAUFENDEN BAND

Bereits im November 1998 - gut 2 Monate nach Betriebsaufnahme - zeichneten sich die ersten finanziellen Probleme ab. Die lag einerseits an der mageren Auslastung, die man zuerst zwar mit 50 % angab, in Wahrheit aber bei rund 30 % lag. Ausserdem lösten verschiedene Fehlüberlegungen unnötige Kosten aus. So darf die Boeing 767-200 ER mit relativ hohen Sitzplatzkosten nur bedingt als ideales Flugzeug für die Strecke Genf-New York bezeichnet werden. Im weiteren wurde das Personal viel zu früh, d.h. weit vor dem operativen Start eingestellt und musste natürlich auch bezahlt werden. Ebenfalls kein Glanzstück war die Miete der Boeing 757. Die Mittelstreckenmaschine konnte nämlich die geplante Strecke Basel-New York nicht ohne Zwischenlandung absolvieren, was in der modernen Luftfahrt vom Konsumenten nicht mehr akzeptiert wird. Somit liefen Kosten für ein Flugzeug auf, welches nicht eingesetzt werden konnte.

Quelle: Planepictures.net (Jean-Luc Altherr)

ENTZUG DER BETRIEBSBEWILLIGUNG

Zudem wurden, wie später bekannt wurde, ungerechtfertigte Zahlungen geleistet und der Verwaltungsrat hat unrechtmässig hohe Bezüge gemacht.

Am 2. Dezember 1998, nicht ganz drei Monate nach Flugbeginn, wird die Notbremse angezogen und der Flugbetrieb eingestellt. In der Folge wird der Airline die Konzession entzogen, da sie ihren finanziellen Verpflichtungen nach eigenen Angaben nicht mehr nachkommen konnte.

Der Firma wird Ende Dezember 1998 Nachlass-Stundung gewährt. Verschiedene Rekapitalisierungsversuche 1999 und 2000 scheitern und die Gesellschaft nimmt den Flugbetrieb nie mehr auf. Im Rahmen des Nachlassverfahrens wird die Swiss World Airways durch einen eingesetzten Liquidator geordnet aufgelöst (d.h. kein Konkurs).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen